In der Türkei heisst das offizielle Motto Hayat Eve Sığar (Das Leben passt ins Zuhause).
Tatsächlich, das Leben passt ins Zuhause.
Dies war die erste Lektion, die wir durch Corona gelernt haben; jenes Virus, das plötzlich in unser Leben eindrang und die ganze Welt beschäftigte. Egal wie sehr sich alle darüber beschweren, zu Hause bleiben zu müssen — diese Zeit des Rückzugs hat es uns ermöglicht, uns mit uns selbst zu konfrontieren und unsere Verhaltensweisen und Gewohnheiten infrage zu stellen.
Der Ausstieg aus dem Alltagsleben hat uns Bewusstheit in vielen Dingen gebracht
Was bedeutet diese Gewissheit für unsere innere Welt? Denken wir daran, Entscheidungen für unser Nachleben zu treffen? Was flüstert uns das Leben als Mensch zu, was sagt es uns in dieser Epidemie?
„Wir können das Haus nicht verlassen. Ich langweile mich, bin überwältigt. Wir können nicht ins Kino gehen. Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants sind geschlossen.” Vielleicht verstehen wir — wenn wir dagegen rebellieren, dass unsere Freiheit eingeschränkt ist — nun endlich die Tiere, die ihr Leben in einem Käfig verbringen müssen.
Während wir uns über den Mangel an Lebensmitteln beschweren, die aufgrund begrenzter Einkaufsmöglichkeiten in unseren Schränken fehlen, stellen wir fest, dass das, was wir jeden Tag vor unserer Nase auf dem Tisch haben, für Menschen in vielen Ländern ein Luxus ist.
Manchmal vergessen wir die Anzahl an Kleidungsstücken in unseren Kleiderschränken und sagen: „Einkaufszentren und Restaurants sind geschlossen. Wir können nicht einkaufen. Fitnesscenter sind geschlossen, wir können nicht trainieren. Wir können das Leben nicht geniessen. Es macht keinen Spass.” Während wir rebellieren verstehen wir plötzlich die Menschen, die in Gegenden der Welt leben, wo man von solchen Dingen nur träumen kann.
Kurz gesagt, wir haben verstanden, dass wir mitfühlen müssen…
Wir alle haben die Hilfslosigkeit der Menschen angesichts eines unsichtbaren Virus gesehen. Diese Epidemie, welche die Pläne der ganzen Welt auf einmal verändert hat, führt dazu, dass das System, in dem wir uns befinden, auf den Prüfstand kommt.
In dieser Zeit haben die meisten von uns Fortschritte in Richtung eines glücklichen und besseren Lebens gemacht. Darüber hinaus haben wir erneut verstanden, wie wichtig Sauberkeit und Hygiene in diesen Zeiten sind. Jeder versteht den Wert des Lebens und seiner Mitmenschen besser zu schätzen.
Inmitten dieses Chaos konnten wir, die wir die Kleinigkeiten des Lebens nicht zu schätzen wissen, den Reiz der Nässe, welche ein Regentropfen auf unserer Haut hinterlässt, nicht verstehen. Die Sehnsucht nach den Orten, vor denen wir mit einer Ausrede davongelaufen sind, hat sich nun zu einem Riesen in uns entwickelt. Wir haben den Wert dessen, was uns so selbstverständlich zur Verfügung steht, nie erkannt. Wie einfach war es doch früher, gemeinsam auf einer Bank am Meer zu sitzen und zu plaudern…
Der Mensch erschafft, zerstört, versucht und macht Fehler.
Es scheint, dass die Welt nach der Epidemie niemals mehr dieselbe sein wird. Wir werden Zusammenbrüche und radikale Veränderungen in allen Bereichen erleben, von Finanzen bis Gesellschaft, von Wirtschaft bis Management.
Wir haben gesehen, dass das Öl, für das so viele Menschen starben, nicht so lebenswichtig war. Wir haben gesehen, dass sich die Natur regeneriert, dass die Erderwärmung und der Klimawandel sich verlangsamen könnten, wenn wir sie nur in Ruhe lassen.
Auch haben wir während der Pandemie gesehen, dass wir denen, die hart arbeiten um uns gesund zu halten, mehr Anerkennung schenken sollten als den Fußballern, denen wir Millionen gezahlt haben.
Und wieder einmal haben wir festgestellt: Was wir säen und pflegen, das werden wir ernten — ob Wut und Hoffnungslosigkeit, oder Hoffnung, Liebe und Empathie.