Vom 24. September bis am 4. Oktober hat das 16. Zurich Film Festival zahlreiche Prominente in die Limmatstadt gelockt. Im Zentrum standen aber immer die Filme – und natürlich der Kinogenuss.
Eine der Highlights im Festival: Die französische Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche, die am Zurich Film Festival mit dem Goldenen Auge ausgezeichnet wurde. Johnny Depp beehrte die Zürcher ebenfalls und präsentierte einen Dokumentarfilm über den ehemaligen Frontmann von The Pogues. Nicht gerade ein Weltstar, aber im deutschsprachigen Raum bekannt, war Til Schweizer, der ebenfalls anwesend war.
NAZAR will neben der internationalen Prominenz auf zwei Ereignisse des Zürcher Filmfestival hinweisen, die ebenfalls grosse Medienpräsenz bekamen.
Da ist zu einem der Film „KOVAN/THE HIVE“ von Eylem Kaftan. Es ist der erste abendfüllende Spielfilm der türkischen Regisseurin Eylem Kaftan. Der Film erzählt von einer aufwühlende Familiengeschichte, die von der Hauptdarstellerin Meryem Uzerli mit absoluter Anmut verkörpert wird.» Und um das geht es im Film „Kovan/The Hive“: Um ihre schwerkranke Mutter noch einmal zu sehen, kehrt Ayse von Deutschland in ihr Heimatdorf in die türkischen Bergen zurück. Der letzte Wunsch der Mutter ist folgenreich: Ayse soll sich um die geliebten Bienenstöcke der Familie kümmern. Der Verlust der Mutter und die Entfremdung von der eigenen Heimat werden Ayse schmerzlich vor Augen geführt, als die Bienenstöcke in ernsthafte Gefahr geraten. Mit starker Bildsprache erzählt THE HIVE die Geschichte einer Frau auf der Suche nach den eigenen Wurzel.
Von grossem Interesse war auch der Auftritt von Hatice Cengiz, der türkischen Lebenspartnerin des von Saudi Arabiens grausam ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi. Die heute 40-Jährige ist in den letzten zwei Jahren um die halbe Welt gereist. Sie hat vor dem amerikanischen Kongress und vor dem Europäischen Parlament gesprochen. Sie hat vor Ermittlern der Uno und vor einem Gericht in der Türkei ausgesagt. Sie hat Hunderte von Interviews, viele davon in Englisch, gegeben und die Hauptrolle in einem beeindruckenden Dokumentarfilm («The Dissident») über den Fall Khashoggi gespielt, der an diesem Wochenende am Zürcher Filmfestival gezeigt wurde und Ende Jahr in die Kinos kommt.
Der Mord an ihrem Verlobten hat die von Natur aus eher scheue Türkin in eine unerschrockene Aktivistin verwandelt. Sie will die Wahrheit ans Licht bringen, und sie will, dass die Verantwortlichen bestraft werden. Da die Türkei das Konsulat verwanzt hatten, gibt es eine Audioaufnahme der letzten Minuten im Leben von Khashoggi. Angeblich ist darauf zu hören, wie die Saudiaraber den 59-Jährigen erst bedrohen, dann ersticken und seine Leiche schliesslich in Stücke zerlegen. Die sterblichen Überreste Khashoggis sind bis heute nicht gefunden worden.
Obwohl es keine Zweifel gibt, dass Saudi-Arabien und insbesondere Kronprinz Mohammed bin Salman hinter dem Auftragsmord stehen, hat weder die USA noch der Westen Sanktionen gegen das Land verhängt. Ihnen sind die wirtschaftlichen Beziehungen wichtiger als die Menschenrechte. Ist Cengiz deswegen enttäuscht?
«Der Weg mag noch lang sein, doch am Ende wird es Gerechtigkeit geben», sagt die Aktivistin in einem Gespräch am Rande des Zürcher Filmfestivals. «Unser Dokumentarfilm zeigt, wie Jamal zum Schweigen gebracht werden sollte. Doch seine Stimme ist dadurch noch viel lauter geworden. Die ganze Welt weiss heute, wer Jamal Khashoggi war und wofür er sich einsetzte», betont sie, während ein schwaches Lächeln über ihr Gesicht huscht. «In diesen zwei Jahren haben wir viel erreicht. Saudi-Arabien geniesst zwar noch immer grossen Einfluss. Das Bild des Kronprinzen hat sich aber radikal verändert. Er steht heute enorm unter Druck.»
Als wir auf «The Dissident» zu sprechen kommen, blüht sie jedoch auf. Nach einer Phase der Depression und der Selbstmordgedanken scheint ihr dieses Projekt wieder Kraft und Lebenssinn gegeben zu haben. Sie habe sich erst nicht vorstellen können, vor der Kamera über ihre Gefühle zu sprechen, erzählt sie. Doch der Regisseur Bryan Fogel habe sie nie als Opfer behandelt, sondern als Zeugin eines Verbrechens. Das habe ihr Mut gemacht.
«Ich habe dieses Leben nicht gewählt», sagt die 40-Jährige, die aus einer konservativen muslimischen Familie stammt und bei dem Treffen ein buntes Kopftuch trägt, das streng jedes Haar verdeckt. «Ich will mich aber auch nicht beschweren. Ich muss noch zwei, drei Jahre durchhalten, dann ist hoffentlich alles vorbei.»