Kolumne von Beat Kraushaar
Die Kultur des Autofahren
Als Kulturmagazin berichtet NAZAR über verschiedene Kulturen in der Welt, über Lifestyle, Reisen und aktuelle Themen wie Influencer. Über die Kultur des Autofahrens liest man in Kultur-Zeitungen hingegen selten etwas. Dabei sind wir fast alle täglich im Auto oder öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs. Und in fast keinem anderen Bereich zeigen sich dabei kulturelle Unterschiede. So unter dem Motto: Zeig mir dein Fahrstil und ich sage dir wer du bist.
Dort wo nach wie vor von einer Macho-Kultur vorherrscht, ist das Auto ein Statussymbol. Viele Männer denken mit schnellen Autos können sie Frauen beeindrucken. Viele PS, schnelles und rücksichtsloses Fahren, Hupen was das Zeug prägt dabei das Strassenbild. Ein türkischer Kollege hat mir einmal gesagt, dass wer in Istanbul durch den Strassenverkehr kommt, kann in jeder Stadt der Welt bestehen. Ich meinte zu ihm, dass wenn er in der Schweiz so fährt wie in Istanbul, dann ist er in fünf Minuten sein Führerschein los. Leider pflegen immer noch zu viele Secondos diesen Macho-Fahrstil auch in ihren neuen Heimatländern. Beeindrucken tun sie die Mädchen damit nicht – die meisten finden es nur lächerlich. Aber sie gefährden mit ihrem Fahrstil die Verkehrssicherheit.
Den Schweizer Autofahrer erkennt man hingegen, dass er auf Autobahnen konsequent auf dem Mittelstreifen fährt. Oder mit 120kmh endlos lange auf der Überholspur dahingleitet. In Frankreich würden die Schweizer wegen ihrer Fahrweise mit Lichthupe und Stinkefinger eingedeckt werden. Der Franzose hingegen hat ein Problem mit Alkohol am Steuer und rebellischen Autofahrer, die aus Überzeugung am Tag das Licht nicht einschalten. Weil man damit angeblich ein Liter Benzin auf 100kmh sparen kann. Oder Deutschland, die halten als einziges Land in Europa daran fest, keine Geschwindigkeitsgrenze einzuführen. Was man schlicht als Kindergarten-Gehabe bezeichnen kann, weil man auf deutschen Autobahnen selten das Gaspedal bis zum Anschlag runter drücken kann – zu viele Baustellen, zu schlechter Zustand der Strasse. Und dann gibt es noch den Unterschied zwischen Frauen und Männern im Strassenverkehr. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, vertreibe ich mir die Zeit damit um vorauszusagen ob eine Frau oder ein Mann am Steuer sitzt. Meine Trefferquote 90 Prozent. Zwei Beispiele: Frauen setzen immer viel früher zum Überholen an als Männer. Oder Frauen halten sich viel mehr an die Verkehrsregeln, sind generell vorsichtiger im Strassenverkehr und verursachen weniger Verkehrsunfälle. Sie gelten deshalb als die besseren Autofahrer als die Männer.
Ob Macho-Fahrer, Schweizer Autobahn-Mittelstreifen-Blockierer oder deutsche Gaspedal-Fetischisten, eines haben Autofahrer weltweit gemeinsam: Sie meinen jeweils, dass niemand so gut Auto fährt wie sie selber.